Mit das Erste das einem zu Guatemala in den Sinn kommt, ist Kaffee. Es lag also nahe, dass wir eine Plantage ansteuerten um etwas über die Herstellung zu erfahren.
Unsere Route:
Donnerstag, 15.08.2024
Das Kollektiv Chicoj besteht aus ungefähr 400 Menschen der ethnischen Gruppe der Q‘eqchi, die ihren Lebensunterhalt in erster Linie mit dem biologischen Kaffeeanbau und -verkauf verdienen. Um auch während der Monate, in denen keine Erntezeit für Kaffee ist, überleben zu können, werden auch Bananen und seit neuestem Kardamom angebaut. Wir haben viel gelernt über die Geschichte der Ankunft des Kaffees in Guatemala im 18. Jhd. sowie die Geschichte der Genossenschaft und der Q’eqchi, die komplizierte Bewirtschaftung der Plantagen (Sorten, Erntezeiten, Bedarf an Schatten usw.), die Kaffeeprozesse (Klassifizierung der Bohnen, Aufschluss, Fermentation, Waschen, Trocknen) und den Verkauf des Produkts in die unterschiedlichen Zielländer. Künftig werden wir Kaffee mit einem anderen Bewusstsein genießen.
Bei der anschließenden Verkostung bekamen wir die Gelegenheit zwei Röstungen zu probieren, die für den asiatischen Markt bestimmt sind. Beide waren überhaupt nicht unser Fall und hatten mit dem Kaffee, wie wir ihn in Europa kennen, nicht viel zu tun. Interessant war auch, dass die zum Kollektiv gehörenden Kinder ab einem Alter von ca. 2 Jahren Kaffee zu trinken bekommen. In Deutschland unvorstellbar, wie so vieles was in anderen Ländern überhaupt kein Problem darstellt…
Die Torten und v.a. der Cappuccino am Nachmittag versöhnten uns dann wieder mit dem Kaffeeangebot der Finca Chicoj – zum Niederknien !
Freitag, 16.08.2024
Der Tag fing eigentlich ganz gut an, zwar wurden wir wieder um 5.00 von den Hähnen geweckt, bekamen dafür aber netten Morgenbesuch.
Nach dem Start von der Kaffeeplantage änderte sich das schlagartig. In einer langen Baustelle direkt hinter Cobán war offensichtlich ein Unfall passiert, es ging nichts mehr. Nach ca. einer Stunde wurde eine „Umleitung“ aufgemacht, eine Kolonne aus PKW und v.a. LKW kämpfte sich über übelste, schmale und zugewachsene Feldwege, incl. Gegenverkehr. Wir hatten noch überlegt, ob wir lieber warten, bis die eigentliche Strecke wieder geöffnet werden würde, entschieden uns dann aber, den Umweg zu fahren. Für knapp 7 km haben wir nochmal fast eine Stunde gebraucht mit einer Fast-Kollision und unzähligen Schrammen mehr an Ingo – und wir hatten noch 190 km Bergstraße vor uns… Erstaunlich war die gute Laune der Trucker Fahrer um uns herum, kein Hupen oder Pöbeln, alles entspannt.
Die RN-7W führt durch eine schöne Berglandschaft und ist überwiegend in gutem Zustand, den Dörfern sieht man die Armut an und leider liegt teilweise sehr viel Müll am Straßenrand. Die Ortsdurchfahrten waren im Großen und Ganzen OK, meistens regelt die Polizei das Chaos und lotst einen über manchmal unverständliche Umleitungen. Die Strecke ist aber auch extrem kurvig und bergig, knapp 8.000 Hm waren wir in Summe rauf und runter gefahren und standen nur 46 m tiefer als bei unserem Start am Morgen.
Am späten Nachmittag reichte es uns, wir wollten nicht in die Dunkelheit kommen und übernachteten beim Turicentro San Jorge, einem Restaurant mit Pools direkt an der Hauptstraße. Hinter das Haus konnten wir wegen tiefen Kabeln und Bäumen leider nicht fahren, es blieb uns nur eine große Sandfläche sehr dicht an der Straße. Insgesamt haben wir für 130 km 7,5 Stunden gebraucht, damit schafften wir einen Schnitt von 17,3 km/h, neuer Negativrekord. Das Abendessen (und das Bier) im Restaurant hatten wir uns redlich verdient.
Samstag, 17.08.2024
Was für eine harmlose Etappe! 60 Km in 2,5 Stunden, enge Dörfer mit unglaublich vielen Tumolos (von denen wir auch ein paar übersehen haben 🥴), viele viele Kurven, steile Serpentinen und Kamikazefahrer auf zwei und vier Rädern. Also alles ganz normal und im Großen und Ganzen harmlos… Das größte Problem war Dank parkender Autos in Verbindung mit niedrigen Ästen die Anfahrt zu unserem Campingplatz in Chichicastenango. Der Ecopark Casa Tzocomá liegt mitten in Chichi, wie der Ort von den Einheimischen genannt wird und ist damit perfekter Ausgangspunkt für den angeblich größten Sonntagsmarkt Zentralamerikas.
Der Markt war der einzige Grund unseres Besuchs, an einem normalen Werktag bietet die enge und laute Stadt nicht viel. Wie schon auf der gesamten Fahrt hierher war auffällig, dass fast alle Frauen ihre traditionelle Kleidung tragen, wir bewegten uns unübersehbar in hauptsächlich durch Mayanachkommen bewohntem Gebiet. In den beiden Hauptkirchen des Ortes fanden schamanische Zeremonien statt, es herrschte eine ganz besondere Atmosphäre, fotografieren natürlich verboten.
Wir waren sehr gespannt auf den berühmten Markt und hofften, dass er die durch diverse Reisende und Reiseführer geschürten Erwartungen erfüllen würde.
Sonntag, 18.08.2024
Manchmal kommen wir uns ein bisschen seltsam vor, wenn wir von Dingen nicht genauso begeistert sind wie alle anderen, das war wieder so ein Fall. Wir waren gegen 9.30 in der Stadt und damit mitten drin in engen, vollen, lauten und bunten Gassen zwischen mehreren hundert Marktständen und noch mehr Menschen. Das Alter der meistens weiblichen Verkäuferinnen variierte zwischen geschätzt 6 und 90, alle Frauen (auch die Kundinnen) trugen traditionelle Kleidung, verkauft wurde alles. Kleidung, Taschen, Schuhe, Opfergaben, Medikamente in Blistern ohne Verpackung, Kerzen, ein bisschen Obst und Gemüse, Besenstiele etc. Gerne auch mindestens zwei der genannten Dinge an einem Stand in möglichst unpassenden Kombinationen. Schlimm und schwer auszuhalten waren die lebenden Tiere. Rinder an der Straßenkreuzung, kurz angebundene Schweine, Hühner in Körben mit Netzen abgedeckt ohne jeglichen Bewegungsspielraum, ca. 20 Kanarienvögel in einem winzigen Käfig, kleine angebundene Katzen und ein Hundewelpe, der sich vor lauter Panik selbst den Schwanz blutig biss. Auch das gehört zu einem Markt in Zentralamerika…
Vor den Kirchen fanden wieder Opferrituale mit Feuer statt, die Luft im gesamten Bereich des Hauptplatzes war rauchgeschwängert. Gegen Mittag nahm der Touristenanteil zu, die Verkäufer wurden im gleichen Verhältnis aggressiver, Zeit für uns, den Markt zu verlassen und in Richtung des nicht weniger berühmten bunten Friedhofs zu gehen. Etwas derartiges hatten wir noch nie gesehen, bunt bemalte und teilweise unglaublich reich verzierte Grabstätten, wie überall bisher in Lateinamerika völlig chaotisch angeordnet und zum größten Teil ungepflegt und verwildert. Auch hier gab es wieder Schamanenrituale, diesmal mit reichlich Publikum in Form von diversen Stadtführungs Gruppen.
Insgesamt konnten wir die Begeisterung nicht teilen, der Markt ist in unseren Augen keinen großen Umweg wert, auch wenn man zumindest morgens noch das Gefühl hat, tatsächlich auf einem „echten“ Markt zu sein, auf dem die Einheimischen kaufen. Letztendlich gibt es aber auch hier nur die üblichen Dinge – was auch sonst…
Montag, 19.08. 2024
Der Weg durch die engen Straßen Chichicastenangos am Morgen war Dank der frühen Uhrzeit noch kein wirkliches Problem. Alle waren entspannt, bis auf die Fahrer der Chicken Busse, aber das ist normal und hatte nichts mit uns zu tun…
Der Guatemala Transport Service hat unter diesem link eine umfassende und lesenswerte Erklärung zum Thema Chicken Bus geliefert.
Gefühlt 5.000 Tumolos, unzählige Kurven und ein paar enge Ortsdurchfahrten später erreichten wir den Lago de Atitlán.
Der wohl schönste See Guatemalas ist umgeben von Vulkanen und einer der Haupttouristenmagnete des Landes. Der Ort Panajachel befriedigt alles, was der landläufige Tourist offensichtlich so möchte. Eine ellenlange Flaniermeile mit Restaurants, Bars, Cafés (mit leckeren Torten fast wie zu Hause), Souvenirshops, „Kunsthandwek“, Textilien etc., zwei Bootsanleger für Colectivo Lanchas, mit denen man die anderen Städte am See erreicht und diverse Hotels direkt am Ufer.
Das Bahia Atitlán Inn war eines dieser Hotels, es bot auf einer großen Wiese Stellplätze für Camper an, lag außerhalb des Ortes und war damit auch für uns anfahrbar. Perfekt ! Wir blieben zwei Nächte.
Dienstag, 20.08.2024
Das beste Fortbewegungsmittel am Lago de Atitlán sind die Colectivo Boote, die auf festen Linien verkehren, außer Ortschaften auch die größeren Hotels anlaufen und relativ zügig unterwegs sind. Klarer Nachteil ist, dass sie erst losfahren, wenn sie annähernd voll sind, was bedeutet, man kann auch mal 45 Minuten warten müssen. Dass es natürlich zwei unterschiedliche Preise für Touristen und Einheimische gibt, muss ja nicht extra erwähnt werden…
Das erste Ziel unserer geplanten „Seekreuzfahrt“ war Santiago Atitlán, der Ort mit der noch ausgeprägtesten Maya Kultur rund um den Lago. Eine hübsche und bunte Stadt, natürlich touristisch und natürlich mit einem Markt und einer großen Kirche, aber auch mit einem schönen Zócalo (zentralen Platz), guten Cafés und ein paar Geschäften abseits des Touristenramschs.
Nächstes Boot zum Hauptort, San Pedro La Laguna, wo wir umsteigen mussten zu unserem eigentlichen Ziel. Die beiden Anlagestellen liegen ca. 1,5 km auseinander, wir teilten uns mit zwei Brasilianern, mit denen wir uns auf dem Boot unterhalten hatten, ein TukTuk und hatten damit die halsbrecherischste Fahrt aller Zeiten. Zu dritt hinten, Paolo hing vorne aus Platzgründen halb aus dem Gefährt, mit Vollgas und vor jeder Kurve hupend durch rechtwinklige Gassen, die so eng waren, dass noch nicht einmal ein Fußgänger an uns vorbei passte. Gegenverkehr gab es natürlich trotzdem, ständig fuhr irgend jemand rückwärts, aber immer alles entspannt… Von der Stadt haben wir nicht viel mitbekommen, wir hatten mehr das rechte Hinterrad im Auge, das gerne auch mal abseits der Straße unterwegs war und waren mit Festhalten beschäftigt.
Wir erreichten heil den Bootsanleger und fuhren nach Jaibalito, einem kleinen verschlafenen Ort am Nordufer.
Unser Ziel war das Posada Jaibalito, ein Restaurant, das von einem etwas schrulligen Deutschen geführt wird und das sich v.a. durch seine Speisekarte auszeichnet. Kässpätzle in Guatemla! Wirklich gut zubereitet von indigenen Köchinnen, die auch hervorragendes Vollkorn- und Sauerteigbrot backen können. Ein kleines Paradies, da konnte man dann auch über die 4-5 bettelnden, sich ständig kratzenden 😳 Hunde am Tisch hinwegsehen. Danke an Regine und Marc für den Tipp 👍.
Der Himmel zog sich immer mehr zu, der typische nachmittägliche Regenguss kündigte sich an, Zeit nach Hause zu fahren. Das dachten sich anscheinend mehrere Menschen, das nächste Boot war brechend voll, Uwe musste am Bug auf den Treppen sitzen, während der Captain im Speedboatmodus offensichtlich versuchte, noch trocken zurück nach Panajachel zu kommen.
Gerade noch im Trockenen kamen wir nach einem tollen Tag bei Ingo an, wir hatten viel gesehen und ganz viel Spaß gehabt.
Einen Teil des restlichen Nachmittags verbrachten wir zusammen mit Gudrun und Peter, wir hatten uns schon in Chichicastenango kennengelernt, hier trafen wir uns wieder, das nächste Mal würden wir uns in Antigua über den Weg laufen – wir freuten uns darauf !
Mittwoch, 21.08.2024
Wieder war die Strecke kurvenreich und bergig mit unterschiedlichsten Straßenzuständen, kaum ein Stück ging geradeaus und wenn, war es eine zugeparkte und relativ enge Hauptstraße in irgendeiner Stadt.
Erneut passierten wir eine Reihe Auto Hotels, offensichtlich eine in Zentral- und Südamerika sehr verbreitete Art von „Hotel“ mit i.d.R. sehr eingängigen Namen. Man mietet sich für ein paar Stunden eine Garage, meistens mit direktem Zugang zu einem Hotelzimmer, manchmal aber auch nur mit einer Matratze in der Garagenbox. Wegen der beengten Wohnverhältnisse und der damit verbundenen fehlenden Privatsphäre sind diese Hotels wohl auch bei (Ehe) Paaren sehr beliebt, aber natürlich nicht nur…
Unseren Stellplatz in Antigua erreichten wir relativ problemlos, für die nächste Zeit wohnten wir in einer sehr gepflegten Parkanlage, fußläufig zur historischen Altstadt. Das Verde Eventos ist eine Event Location (mit momentan glücklicherweise keinen Events…), das auch Stellplätze für Wohnmobile anbietet. Wir trafen hier Bettina und Michael, unsere Reisebekannten aus Belize und Susanne und Klaus, die wir in Halifax kurz gesehen wieder.
Donnerstag, 22.08.2024
Unseren ersten Stadtbummel verbanden wir mit der Anmeldung in einer Sprachschule. Ab Montag würden wir zunächst für eine Woche mal wieder die Schulbank drücken, die zweite Woche war gedanklich schon gebucht… Sechs Stunden/Tag in einer Kleinstgruppe bestehend aus uns beiden, Spanisch intensiv 😱. Es nervte uns einfach, dass wir immer nur herumstammeln und ohne Google Übersetzer verloren sind.
Mittlerweile waren auch noch Gudrun und Peter in unserer kleinen Stadtoase angekommen und wir waren zu acht.
Freitag, 23.08.2024
Antigua ist von Vulkanen umgeben, hat ca. 60.000 Einwohner und ein relativ kleines Stadtzentrum. Bekannt ist es für die vielen Gebäude aus der spanischen Kolonialzeit, viele dieser Häuser wurden nach einem Erdbeben im Jahr 1773 wieder aufgebaut. Bis zu diesem Zeitpunkt war Antigua 200 Jahre lang Guatemalas Kolonialhauptstadt, seit 1979 gehört sie zum UNESCO Weltkulturerbe.
Nicht zu überhören war der Umzug durch die Stadt im Rahmen eines Schuljubiläums, jede Gruppe spielte andere Musik in einer z.T. ohrenbetäubenden Lautstärke. Was das anbelangt, haben wir aber ganz offensichtlich einen völlig anderen Maßstab…
Besonders glücklich waren wir über die Ankunft unseres Paketes aus Deutschland. Nach nur 5 Tagen ab Versand hatten wir endlich unsere neue Kamera in Händen. Ein dickes Dankeschön an Philip, der sich mittlerweile zum Versandprofi entwickelt hat (gezwungenermaßen…🫣).
Samstag, 24.08.2024
Unseren vorletzten freien Tag vor Schulbeginn nutzten wir für eine kurze Wanderung auf einen Aussichtspunkt über der Stadt und genossen ansonsten einfach das bunte Treiben in der Stadt. Antigua gefällt uns bisher eigentlich gut, leider ist die Luft in weiten Teilen so abgasgeschwängert, dass man am liebsten den Atem anhalten würde. Es herrscht insgesamt relativ dichter Verkehr und die schwarzen Wolken aus den Auspuffrohren der Chicken Busse machen das Ganze nicht besser…
In den kommenden Wochen wird es wahrscheinlich nicht viel von uns zu lesen geben, wir werden damit beschäftigt sein, spanische Vokabeln und Grammatik in unseren nicht mehr ganz taufrischen Gehirnen zu verankern.
Herrlich beschrieben. Den Smiley für verpasste Topes muss ich auch mal suchen. Man muss ja nicht alles gut finden, einen eigenen Eindruck machen, dass macht unseren Reisestil ja aus. Wir fanden den Markt in Chichicastenango sehr authentisch, haben auch nicht viele Touris gesehen. Lago Attilan besuchten wir nicht wegen des schlechten Wetters und bedauern es etwas. So schöne Bilder und Erlebnisse. Viel Spass in Antigua, vor allem mit der neuen Kamera. Liebe Grüsse