Eine Woche Großstadt reichte als Reisepause, uns zog es wieder in die Natur, die bergige Gegend östlich von San José hatte einiges zu bieten.
Unsere Route:
Montag, 18.11.2024
Nach einer Woche Großstadt holten wir Ingo wohlbehalten bei MAN wieder ab und quälten uns über die vollen Umgehungsstraßen und Ausläufer von San José wieder zurück in ländlichere Gegenden. Unser Ziel waren die „Ruinas de Nuestra Señora de la Limpia Concepción del Rescate de Ujarrás“ oder einfacher gesagt die Ruinen der ältesten Kirche Costa Ricas.
Die ursprüngliche Kirche wurde zwischen 1561 und 1569 als Lehmhütte mit Strohdach errichtet und von 1575 bis 1580 aus Kalkstein neu gebaut, 1833 fiel sie einer Flut zum Opfer und wurde komplett zerstört. Jährlich im März sind die Ruinen Ziel einer großen Prozession, die der Jungfrau von Ujarrás gedenkt, ihr werden einige Wunder zugesprochen.
Die Ruinen liegen in einem toll angelegten Garten, umgeben von Guyaba Plantagen am Rand des winzigen Ortes. Beeindruckend war die riesige Drohne, die mit irgend etwas (bestimmt rein ökologischem) die Plantagen besprühte. Wir durften mit Ingo auf dem Parkplatz der Ruinen übernachten und freuten uns auf eine Nacht, die nicht durch hupende Züge morgens um 5.00 enden würde.
Dienstag, 19.11.2024
Wir haben ein Faible für Lost Places, auch wenn sie wie im Fall des Sanatorio Dr. Carlos Durán Cartín ziemlich gut vermarktet sind und Eintritt kosten – und damit eigentlich schon kein Lost Place mehr sind… Etwas nördlich von Cartago liegt eine 1918 eröffnete Tuberkulose Klinik, die bis 1973 als Sanatorium in Betrieb war und heute ein Nationaldenkmal ist.
Dr. Durán gründete die abgelegene Klinik u.a. deshalb, weil eine seiner Töchter an der extrem ansteckenden Lungenkrankheit litt, zu seiner Blütezeit und damit der Hochzeit der Tuberkulose verfügte das Krankenhaus über ca. 300 Betten. Es hatte seine „eigene Währung“ in Form von durchbohrten Münzen, um Ansteckungen über den Austausch von Geld zu vermeiden. Natürlich gab es damals wie heute Gespenster in den Gebäuden, man hört in den oberen Stockwerken manchmal die Geister der Nonnen und Schwestern und mit ganz viel Glück bekommt man sie auch zu sehen 😉. Das Ganze ist eine Mischung aus Freilichtmuseum, mit typischem Graffiti beschmiertem Lost Place und interessanter Architektur und Geschichte.
Unser nächstes Ziel war Cartago, von 1563 bis 1824 die erste Hauptstadt Costa Ricas und heute Heimat des Nationalheiligtums. Die Basilika Unserer Lieben Frau von den Engeln ist der Jungfrau der Engel (La Negrita) gewidmet, der Schutzpatronin des Landes. Im Gewölbe der Kathedrale findet sich ein Stein auf dem mehrfach ein Bild von Maria mit Jesus im Arm erschien (gefunden von einem indigenen Mädchen beim Holz sammeln 🤷🏻♀️) und unzählige kleine Silberanhänger. Die Schmuckstücke sind Opfergaben und stellen die Körperteile dar, für die um Heilung gebeten wird, der Stein ist quasi der Grundstein für die Kirche.
Wieder einmal waren wir erstaunt über die tiefe Gläubigkeit der Menschen, es ist keine Ausnahme, dass jemand auf Knien das Kirchenschiff Richtung Altar durchquert. Man kann zu dem Thema stehen wie man möchte, die Kirche ist auf jeden Fall sehr schön.
Ansonsten bietet Cartago aus unserer Sicht nicht viel, wie eigentlich alle Städte in Costa Rica ist es nicht besonders hübsch. Außer den Ruinen der ersten Pfarrkirche der Stadt und einer sehr großen und sehr weiblichen Skulptur für die Unabhängigkeit gibt es eigentlich nichts zu sehen. Die imposante Dame steht in der Mitte des Hauptplatzes und soll das Leben und die Freiheit symbolisieren, momentan umgeben von beeindruckend viel Weihnachtsdeko…
Auffällig in der Stadt war die Hilfsbereitschaft der Menschen. Zuerst bekamen wir die Visitenkarte eines Herrn, vor dessen Grundstück wir parkten, in die Hand gedrückt (falls wir irgend etwas benötigen sollten). In der Kathedrale nahm uns eine ganze Familie unter ihre Fittiche und erklärte mit Hilfe der englisch sprechenden Tochter die Hintergründe der Marienerscheinungen und Opfergaben.
Weiter ging es in die Berge, unser Ziel war eine Fischfarm auf knapp 2.500 m Höhe. Empfangen wurden wir von dem ausgesprochen netten José Maria und Temperaturen um die 15°. Endlich mal wieder die Chance, Ingos Innenraum etwas abzukühlen !
Zum Abendessen fing José uns eine Lachsforelle und bereitete sie küchenfertig vor, alles zusammen in weniger als 10 Minuten – faszienierend !
Mittwoch, 20.11.2024
Nur 20 Km weiter lag der „Cerro de la Muerte“ und damit mit 3.335 m der höchste Punkt des Pan-Americana Highway. Der einladende Name „Gipfel des Todes“ erklärt sich durch die schwierige Überquerung der Gebirgskette in vergangenen Zeiten. Man benötigte 3-4 Tage zu Fuß oder zu Pferd, viele Menschen erfroren oder erlagen dem Regen. Auch wir standen plötzlich bei 12° im Nebel, die Aussicht ließ sehr zu wünschen übrig.
Wir parkten Ingo noch etwa 100 m höher am Rand einer Schotterpiste abseits der Hauptstraße und hofften auf bessere Sichtverhältnisse am nächsten Morgen.
Donnerstag, 21.11.2024
Seit langem mal wieder eine Nacht, in der die Heizung lief, an die letzte konnten wir uns nicht erinnern… Bei 5° stiegen wir morgens um 6.00 auf den kleinen Berg hinter uns und hatten tatsächlich für kurze Zeit so etwas ähnliches wie Aussicht, etwas störend waren nur die vielen Funkmasten auf allen umliegenden Hügeln. Der eigentlich harmlose Aufstieg auf über 3.300 üNN war anstrengend, der Abstieg auch, der aber v.a., weil wir in dem Gestrüpp und Gebüsch den kaum sichtbaren Trampelpfad nicht gleich wiederfanden.
Kurze Zeit später standen wir wieder in den Nebenschwaden, Zeit aufzubrechen und und die ziemlich anspruchsvolle Anfahrt zu unserem nächsten Ziel in Angriff zu nehmen. San Gerardo de Dota gilt als DER Ort, um Quetzales zu sehen, den relativ seltenen und ziemlich scheuen, aber von allen Fotografen begehrtesten Vogel Costa Ricas und Nationalvogel Guatemalas. Leider liegt der Ort neun enge und steile Kilometer tief in einem Tal, keine Strecke, die unbedingt für Ingo gemacht ist, v.a. nicht, wenn an den engsten Stellen Baustellen LKW parken, Gegenverkehr kommt oder niedrige Kabel hängen.
Irgendwann hatten wir (Uwe!!👍) es geschafft, wir quartierten uns neben einem sehr lauten Fluß ein und gingen auf Sondierungs-Tour. Schnell hatten wir herausgefunden, dass wir um eine geführte Tour nicht herum kommen würden. Es war keine optimale Zeit für Quetzales, die Lieblingsspeise der Vögel, die sog. Wald-Avocados waren noch nicht überall reif, die Tiere hatten sich z.T. in andere Regionen zurückgezogen und nur einige wenige hielten sich in der Gegend auf. Man benötigte also einen ortskundigen Führer mit fahrbarem Untersatz. Gut, dass genau neben uns das Haus von Marino war, praktischerweise einem Guide, nach ein bisschen feilschen über den Preis verabredeten wir uns für den nächsten Morgen um 5.15 😱.
In den wenigen Regenpausen schlenderten wir ein wenig durch die teilweise hübsche Ansammlung von Häusern (Dorf wäre übertrieben), hatten den wahrscheinlich teuersten Kaffee mit Kuchen in ganz Costa Rica und waren ansonsten genervt von dem nicht enden wollenden schlechten Wetter.
Freitag, 22.11.2024
Nach einer kurzen Nacht (der Wecker klingelte um 4.00) fuhren wir in Begleitung von drei anderen „Vogeljägern“ los und erreichten nach 15 Minuten eine Stelle wo ganz bestimmt !!! Quetzales sein sollten. Das hatten ca. 5 bis 6 andere Guides ihren Kunden auch erzählt und so standen wir in guter Gesellschaft morgens um 5.30 in der Gegend herum und starrten einen Baum an. Nicht, dass wir uns ein bisschen blöd vorkamen…
Nach ca. 45 Minuten brach plötzlich Hektik aus. Alle stürzten in ihre Kleinbusse, weiter unten war ein Quetzal gesichtet worden, nichts wie los ! Dort das gleiche Spiel, ungefähr 30 Menschen starrten mit unterschiedlichen Hilfsmitteln bewaffnet in die Bäume, dieses Mal aber mit Erfolg. Wir hatten das Glück, fast eine Stunde lang einen wunderschönen männlichen Quetzal beobachten zu können. Die Männchen haben metallgrüne Federn und rote Brüste, während der Fortpflanzungsphase entwickeln sie einen bis zu 1 Meter langen Schwanz, ziemlich lang im Verhältnis zum Körper, der „nur“ bis zu 35 cm groß werden kann.
Unsere Kamera stieß hier allerdings an ihre Grenzen, die meisten Fotos entstanden durch das Abfotografieren des Okulars auf Marinos Fernglas. Trotz der nicht optimalen Fotoausbeute waren wir aber super happy, niemals hätten wir gedacht, dass einen ein einzelner Vogel so glücklich machen kann. Sorry für die vielen Bilder…
Die Rückfahrt über die steile Bergstraße machte das aber auch nicht besser, das Team Uwe-(Ute)-Ingo hatte teilweise wieder gut zu tun.
Nach einer dreiviertel Stunde hatten wir es geschafft und fuhren Richtung Santa Maria de Dota, wir wollten zur dort ansässigen Kaffeekooperative CoopeDota. Das Unternehmen wurde 1960 aus damals 96 kleinen Kaffeeproduzenten gegründet und ist heute ein Großunternehmen aus mehr als 900 Farmern, das z.B. auch Tschibo und Eduscho beliefert. Wir waren allerdings zunächst nur an der Cafeteria interessiert, für Frühstück war noch keine Zeit bis dahin. Die nächste Besichtigungstour der Produktion wäre dann leider erst in 2,5 Stunden gewesen und das für einen aus unserer Sicht ziemlich unverschämten Preis, wir fuhren gestärkt und nach einem hervorragenden Kaffee weiter.
Die Route führte durch nette Landschaften, entlang relativ vieler Treibhäuser für hauptsächlich Guave und mal wieder über Abschnitte in miserablen Zuständen. Die natürlich vorher nicht angekündigte Brücke bis 9t ohne Wendemöglichkeit in der Nähe hielt Ingos 11t zum Glück aus.
Fahrerisch wurde es nicht besser. Die Zufahrt zu unserem anvisierten Stellplatz auf der familiengeführten Kaffeefarm Finca Las Mercedes hatte es mal wieder in sich. Eng, teilweise ausgewaschen oder weggebrochen und viele Büsche und Bäume im Weg. Einer davon wurde kurzerhand halbiert und aus dem Weg geräumt, sonst wäre es gar nicht gegangen. Die Notreparatur auf der kürzeren der beiden Zufahrten erschien uns für das Befahren mit Ingo nicht vertrauenswürdig genug, also ein Stück wieder rückwärts zurück und außen rum. Irgendwie reichte es für den Tag.
Ingo parkte auf dem wegen dem Untergrund momentan einzig möglichen Platz direkt neben dem Café, aufgrund des Küchen-, Gastro- und Familienbetriebs nicht ganz optimal, wir blieben aber trotzdem. Das Gelände sah sehr hübsch aus, die Besichtigung verschoben wir auf die nächste längere Regenpause. Den Gedanken, wie wir wieder dort weg kommen sollten schoben wir zunächst zur Seite, umdrehen würde wahrscheinlich nicht möglich sein…
Samstag, 23.11.2024 bis Montag, 25.11.2024
Insgesamt drei Tage richteten wir uns auf der toll angelegten Finca Las Mercedes ein. Die Farm ist seit 1920 in Familienbesitz, seit 60 Jahren wird Kaffee angebaut, vor 10 Jahren kam Avocado dazu. Die endlos erscheinenden Anpflanzungen sind von diversen Wegen durchzogen und boten damit ausreichend Bewegungsspielraum für die Pausen zwischen den üblichen Servicearbeiten in und um Ingo und der Reparatur unseres gerissenen Fliegengitters.
Bei unseren Spaziergängen wurden wir i.d.R. von zwei der diversen auf der Finca lebenden Hunden begleitet, beides kleine Gourmets, welcher Hund frisst üblicherweise die selbst hier relativ teuren Avocados 🤣.
Natürlich statteten wir auch dem in der Nähe liegenden Café Haug einen Besuch ab, wann hat man schon mal eine Namensgleichheit in Zentralamerika ? Evtl. vorhandene Verwandtschaftsgrade ließen sich allerdings nicht klären, zumindest kommen aber beide Familien ursprünglich aus der selben Ecke Deutschlands.
Schön fanden wir auch die Werbetafel des Restaurants Bongos, an Reis und Bohnen kommt seit México ja tatsächlich niemand mehr vorbei…
Nach drei entspannten Tagen fuhren wir wieder zurück nach San José, wir mussten nochmal zu MAN, eine der durchgeführten Reparaturen bedurfte der Nachbesserung. Ingo hatte immer noch ein Leck im Luftsystem, der Fehler war beim ersten Werkstattbesuch leider nicht vollständig behoben worden.
Montag, 25.11.2024
Es kam, wie wir befürchtet hatten, umdrehen an unserem Stellplatz keine Chance, das hieß zunächst mit der Machete etwas Platz machen und dann rückwärts über die halbe Finca. Immer entlang an Büschen, niedrigen Bäumen und über rutschige, abschüssige, schmale Wege. Toll…
Das Verkehrschaos um und in der Hauptstadt war logischerweise inzwischen nicht besser geworden, wir quälten uns durch diverse Staus zu einem suboptimalen Straßenparkplatz in der Nähe der Werkstatt, einen Steinwurf von der viel befahrenen 4-spurigen Stadtautobahn entfernt. Das würde keine ruhige Nacht werden…
Das Highlight dieses irgendwie anstrengenden Tages war eindeutig der Besuch des Auto Mercado kurz vor San José. Die sowieso schon extrem gut sortierte Supermarktkette hat dazu noch ein außergewöhnlich breites Angebot an europäischen und in erster Linie deutschen Produkten. Manchmal sind es die kleinen Dinge, die einen Tag retten 😉.
Dienstag, 26.11.2024 bis Mittwoch, 27.11.2024
Der Aufenthalt bei MAN war kurz und erfolgreich, wir konnten das chaotische San José hinter uns lassen. Umgerechnet ganze € 0,47 mussten wir für die ca. 50 km lange Strecke auf dem kurvigen Highway 32 Richtung Norden bezahlen, Ingo ging als Auto durch 👍. Angekommen bei der Finca Los Sementales wurde uns vom Juniorchef zunächst erklärt, dass wir die kleine Zufahrtsbrücke besser nicht befahren sollten, die nächste Einfahrt auf das Gelände wäre besser für uns geeignet. Kein Problem, dort standen wir dann allerdings vor einem Bach mit sandigem Boden und einem sehr tief hängenden Stromkabel. Zitat Uwe: „Kann es eigentlich auch mal eine stinknormale und einfache Zufahrt zu einem Stellplatz geben?“ Das Kabel wurde durch zwei Arbeiter kurzerhand gekappt, der Bach sei kein Problem, „es duro“. Na dann… Trotzdem bewachten drei Jungs unsere Wasserdurchfahrt, der Boden stellte sich aber tatsächlich als hart heraus und war kein Problem.
Um auf den einzigen für uns möglichen Stellplatz zu kommen, musste (mal wieder…) ein Baum ziemlich Federn lassen, aber wie immer sahen die Herren mit der Machete das völlig entspannt.
Die beiden Aras die bei unserer Ankunft in genau diesem Baum saßen, haben wir danach leider nicht mehr zu Gesicht bekommen. Schade, wenn wir das gewusst hätten… Irgendwann hatten wir Ingo untergebracht und konnten das schön gemachte Gelände erkunden und v.a. einen Tukan beobachten (im Dämmerlicht und ziemlich weit weg), bevor es wieder anfing zu regnen, was auch bis auf Weiteres so blieb.
Unsere Pläne für die nähere Umgebung, z.B. den Besuch des Poás Vulkankraters konnten wir unter diesen Umständen eigentlich streichen. Wenn es nicht regnete, war es wolkenverhangen oder neblig. Costa Rica machte es uns wirklich nicht leicht, eigentlich regnete es seit unserer Einreise vor ca. 4 Wochen gefühlt ständig. Die Einheimischen sind genauso genervt, versichern uns aber dauernd, das sei alles nicht normal und hört nächste Woche auf. Blöd nur, dass wir „nächste Woche“ seit vier Wochen hören.
Wir hoffen dann mal auf nächste Woche…